Bereits letztes Jahr stand ich am Start von Getting Tough – The Race, dem “härtesten Rennen Europas”: Damals dachte ich noch, naja, irgendwie behaupten das doch alle Rennen von sich. Damals musste ich aber schmerzhaft lernen: Beim Getting Tough halten sie, was sie versprechen. Nur unter Krämpfen konnte ich das Ziel erreichen und musste zwischendurch immer wieder gehen – anhalten – dehnen. Das war das erste Mal, dass ich während eines Hindernisrennens ans Aufgeben dachte. Da war das Schwimmbad, wo wir mit dem Kopf unter Baumstämme tauchen mussten, was im eiskalten Wasser so stark wirkte, dass für einen kurzen Moment sogar Panik einsetzte.
Und immer wieder Blick nach vorne, Blick zurück, Kälte, Hirnfrost. Aaaahh. Das alles hatte ich nicht vergessen. Aber ich hatte auch nicht vergessen, wie überragend das Gefühl war, es geschafft zu haben! „The Race that destroys you“ zerstörte mich fast, aber eben nur fast. Kurz nach dem Rennen meldete ich mich dann auch für das folgende Jahr an. Warum ich damals die Anmeldung so früh schickte? Weil ich ständig bei den OCR-Frankfurt-Training erzählt hatte: „Ja, XletiX war lustig, Strong Viking war anstrengend, Spartan Race war hart, Toughmudder ist ein Spaßlauf, aber vergesst all das: Lauft Getting Tough!”
Vorfreude und Nervösität
Dieses Jahr fieberte ich mit, wenn Kallinator und Capitano eine neue Idee posteten. Außerdem freute ich mich tierisch darauf, die ganzen Leute vom Vorjahr wiederzutreffen. Denn wenn Kallinator und Capitano zum Tanz bitten, lässt sich das kein echter Hindernisläufer entgehen. Ein Rennen von Läufern für Läufer! Dementsprechend war dieses Jahr die Anreise schon am Freitagabend vor dem großen Rennen: Pre-Raceparty! Während wir die Startnummern abholten, trafen wir bereits die ersten bekannten Gesichter. Es wurden Ziele abgesteckt, Trainingszustände verglichen, von vergangenen Heldentaten geschwärmt. Und selbst die Besten waren alle schon ein wenig nervös. Immerhin war allen bewusst, dass es dieses Jahr noch härter werden würde.
“Es war ein Rennen, bei dem man mit diesen komischen Gefühl in der Magengegend startet und sich die schlimmste Erwartungen tatsächlich erfüllen und sogar übertroffen werden sollten.”
-Dawid
Nach dem wir die Startnummern abholten, ging es zur Pizzeria. Diese war bis unter den Rand voll mit Gästen. Gott sei Dank hatten wir aber reserviert. Überall waren große Gruppen mit sportlich aussehenden Leuten. Nach dem Essen im Hotel dann immer noch dasselbe Bild: das Hotel war voller Läufer. Beim Frühstück morgens wurde das dann nochmal deutlich. Irgendwie fühlte man sich wie bei einem Familientreffen! Aber genug davon, die Atmosphäre lässt sich sowieso nur fassen, wenn man es selbst erlebt hat. Ab zum Start!
Race Day
Kleiderbeutel abgeben. Umsehen. Treffpunkt verabreden. Noch schnell ein Gruppenfoto und dann ab zum Start. Noch schnell warmlaufen. Die Quadfahrer zeigen nach oben, die Flugzeuge kommen: Es geht los! Countdown: Startschuss! 3200 Läufer stürmen auf das Krabbelhindernis zu. Ich wusste, wenn ich schnell sein will, muss ich beim Start gut wegkommen. Die Geschwindigkeit im Krabbelhindernis war derart hoch, dass ich bereits erschöpft war als ich am Wassergraben ankam.
Rein, raus: Verdammt, es geht nicht ohne Hilfe! Diese Drecksäcke haben den Rand abgeschrägt und der Boden ist noch gefroren. Hilfe war sofort zur Stelle. Ich stieg auf eine Räuberleiter und zog meinen Helfer aus dem Graben. Weiter, schnell weiter. Verdammt, da steht eine Footballmannschaft! Die Saalfeld Titans stellten sich wagemutig den anstürmenden Horden entgegen und schubsten die Läufer wie Flipperkugeln hin und her. Eine wirklich coole Aktion!
Schnell Tempo machen und weiter. Wo ist eigentlich dieser Dennis, der wird doch nicht wirklich schon vor mir sein? Weiter Tempo machen. Ich wollte am Berg bereits in einer guten Position sein, damit ich vom Tempo der Anderen motiviert werde. Oben angekommen wusste ich, dass es gut aussieht. Ich sah eine überschaubare Zahl an Läufern vor mir. Das Feld hatte sich bereits beim Slalom durch den Graben ordentlich auseinander gezogen. Die Weinberge mit den Reifen forderten ebenfalls Tribut.
Der nächste Berg. Kräftesparen. Schneller Gang. Oben angekommen. Weiter rennen. Bei gut der Hälfte der Strecke hörte ich einen der Streckenposten sagen: “Sehr gut, zweite Frau!”. Ich konnte nicht gemeint sein. Hinter mir lief jedoch die Zweitplatzierte. Ich drehte mich um, grinste und sagte: „ Na gut, dann spiele ich mal Zugpferd für die zweite Frau!“ „Gerne! Wenn du mir dann nachher über die Hindernisse hilfst!“ „Schauen wir mal!“
Weiter ging es! Hoffentlich liest Kallinator nicht, dass wir uns noch unterhalten konnten. An der Papierfabrik angekommen wusste ich: Jetzt ist es nicht mehr weit, gleich hast du es geschafft. Beim Wassergraben angekommen spürte ich es in den Beinen. Schluss mit Vorspiel, jetzt fängt das Rennen an!
Kampf dem Krampf
Vom letzten Jahr wusste ich: Jetzt wird es hart, hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Den Lauf über war ich topfit, es lief gut bis hier hin. Durch den Wassergraben mit Tempo. Über die Sturmbahn. Mit Vollgas Sandsack schnappen. Losrennen, über den Baumstamm. Oha, dieses Gefühl kennst du. Der Blick nach unten bestätigte meine Vermutung: Ich sah wie sich mein Wadenmuskel zuckend verkrampfte. Amüsiert begrüßte ich meinen alten Freund. „Hallo Krampf, da bist du ja wieder. Ich habe dich schon vermisst!“ Strategiewechsel: Nicht Rennen mit dem Sandsack, sondern gehen. Nicht über die Baumstämme springen. Sackablegen. Drüber rollen. Die Krämpfe kannte ich ja schon vom letzten Jahr, dementsprechend kannte ich auch die Techniken, trotz der Krämpfe über die Hindernisse zu kommen.
Auch das Schwimmbad konnte mir dieses Jahr nichts anhaben. Bewaffnet mit meiner Badekappe tauchte ich zügig unter den Baumstämmen durch und vermied es geschickt in das andere Becken nochmal hinein zu fallen. Das Schwimmbad war auch in diesem Jahr wieder ein besonderes Highlight für die zahlreichen Zuschauer und der Moderator kommentierte das Ganze. Sein Kommentar, dass nun schon gut 100 Läufer durchgekommen sein müssen, spornte mich an, noch einmal zusätzlich Gas zu geben. Ich wollte diese schwarze Medaille, die nur die ersten 100 Läufer bekommen würden!
Die Schleife über den Hindernisparcour
Nur noch zu Bleichwiese und den Hindernisparcour meistern. Auf dem Weg dort hin gab es noch ein paar neue Hindernisse, die sich an Gemeinheit und Kreativität sehen lassen konnten. Vor allem das kalte Saalewasser lies mich bereuen, dass ich meine Badekappe zusammen mit den Buffs und meinem langen Shirt weggeworfen hatte.
Die Luft war zwar angenehm warm, aber die mit Schmelzwasser angestiegene Saale hatte es im wahrsten Sinne des Wortes in sich. Wasser überall, mehr Hindernisse, Klettern, Krabbeln, Rutschen, Klettern, kriechen, Wasser, Säcke, Container, Holz, Beton, Autos, Sand, Steine, wieder Wasser, Netze, Beton, Holz…. Weiter, weiter, weiter und zwischendurch immer mal wieder einen Krampf, der das Aufbauen ordentlicher Körperspannung verhindert: und das soll Spaß machen?
Ja, tut es. Vor allem, wenn am Ende dieser Strapazen die Urheber des Elends auf dich warten und dich mit Grinsen, Handschlag und Umarmung begrüßen. 1 Jahr OCR Training hatte Wirkung gezeigt! Ich war 26 Minuten schneller als letztes Jahr. Ich habe die heißbegehrte schwarze Medaille. Ich bin glücklich! Nur dieser verflixte Dennis war schneller als ich. Ich habe ihn tatsächlich nicht mehr einholen können. Er war etwas mehr als 5 Minuten vor mir. Eine Wahnsinnsleistung. Mit Platz 49 bester OCRler aus Frankfurt. Ich habe es auf Platz 88 geschafft, dicht gefolgt von Patrick Nagel auf Platz 120, Paul Wienholtz auf 138 und Fabian Raschke auf Platz 230. Diese Leistungen reichten zusammen, das Team OCR auf Platz 8 von 119 Teams zu bringen.
“Das für mich bisher einzige Hindernisrennen, bei dem mein innerer Schweinehund mit blutenden Knien, Spaß, Motivation, Ehrfurcht, Schmerz und Erleichterung über die Ziellinie kroch.”
– Dennis
Wir gehören nun also nach nur einem Jahr zu den 10 besten Hindernislaufteams in Deutschland.
An dieser Stelle soll nicht vergessen werden, dass, während wir uns bereits im Garderobenzelt aufwärmten, die Anderen noch kämpften. OCR Franfurt schaffte es vier 5er Teams zu platzieren. Platz 23, 57, und 102. Von 22 Teilnehmern erreichten 22 das Ziel. 100%.
Das gemeinsame Training machte sich mehr als bezahlt. Besonders bewundernswert war es, dass auch Jens und Julia sich bis zum Ende durchgebissen hatten. Obwohl sie sich spontan noch einen Startplatz organisiert hatten und Jens, von einer Verletzungspause geschwächt, nicht wusste, ob er mit seiner Wade überhaupt durchkommen würde.
“Mit Zusammenhalt und Teamwork schafft man Dinge, an denen man als Einzelner zweifelt”
– Jens
Jeder Einzelne lieferte an diesem Samstag seine ganz persönliche Bestleistung ab, diese wurde nach ein wenig Körperpflege und Wundenlecken mit ordentlich Ouzo begossen, und spätestens beim Feuerwerk auf der After-Raceparty wusste ich: Nächstes Jahr wieder!
“Für mich war GT nicht realistisch, als ich anfing mit OCR FRA zu trainieren. Aber ich habe es geschafft und bin sehr zufrieden mit meinem 399. Platz von 3000 Teilnehmern.”
– Pascha
Der einzige organisatorische Mangel, den ich aufzeigen kann, wurde bereits, bevor ich mich beschweren konnte, behoben: Die Anmeldung für nächstes Jahr ist möglich und OCR Frankfurt ist garantiert wieder dabei.
Mein Fazit: Sie haben Wort gehalten: Getting Tough war trotz des schönen Wetters das härteste, aber vor allem das am besten organisierte Hindernisrennen auf dem ich dieses Jahr war! Die Atmosphäre war wieder einzigartig und es war die reine Freude, Rudolstadt zu besuchen! Auch wenn die Restaurants mit der Fresswut der Getting-Tough-Teilnehmer zeitweise etwas überfordert waren und wir auf unser Essen lange warten mussten, sei dieses Manko verziehen in Angesicht dessen, was die Gemeinde Rudolstadt, mit Bundeswehr, Feuerwehr, THW, Holz-,Gerüst- und Betonbauern und so weiter und sofort alles möglich gemacht hatte. Nicht zuletzt die Zuschauer und vor allem die ganzen Helfer, die dieses Erlebnis für uns alle einzigartig gemacht haben.
“Nasses, kaltes, sadistisches Machwerk von Kalli und Capitano, das unglaublich anstrengend und kräftezehrend, aber auch ein unglaubliches Superevent war.”
– Mirco
„Ein Rennen von Läufern für Läufer!“ Mit ganz viel Herz und einer ordentlichen Prise Schmerz. Vorsicht, Suchtgefahr!